Die digitale Transformation macht auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Insbesondere die Möglichkeit, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) online auszustellen, hat die Arbeitswelt verändert. Doch eine aktuelle Gerichtsentscheidung bringt neue Herausforderungen mit sich: Bestimmte Online-AUs garantieren keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung mehr. Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen.
Kernpunkte des Urteils
Im Zentrum des Urteils steht die Frage, ob online ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen die gleichen rechtlichen Ansprüche begründen wie klassische, persönlich ausgestellte AUs. Die Entscheidung des Gerichts verdeutlicht, dass Online-AUs, die ohne eingehende ärztliche Untersuchung vor Ort erstellt werden, nicht die Voraussetzungen für eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfüllen.
Besonders relevant sind hierbei die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), die den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall regeln. Das Gericht stellte klar, dass die persönliche Untersuchung durch eine:n Arzt:Ärztin ein zentraler Bestandteil der Beweispflicht für die Arbeitsunfähigkeit ist.

Auswirkungen auf Arbeitnehmer:innen
Arbeitnehmer:innen, die auf digitale Lösungen wie Online-AUs zurückgreifen, sehen sich vor neuen Herausforderungen. Die Vorteile dieser Methode – wie Zeitersparnis und einfache Handhabung – können durch die fehlende Entgeltfortzahlung stark relativiert werden.
Was Arbeitnehmer:innen beachten sollten:
- Prüfung der Akzeptanz: Vor der Nutzung von Online-AUs sollte geklärt werden, ob der Arbeitgeber diese anerkennt.
- Rücksprache mit der Krankenkasse: Eine Abstimmung mit der Krankenkasse ist essenziell, um potenzielle Lücken im Versicherungsschutz zu vermeiden.
- Vorsicht bei finanziellen Einbußen: Arbeitnehmer:innen sollten sich bewusst sein, dass der Verzicht auf eine persönliche Untersuchung finanzielle Nachteile nach sich ziehen kann.
Konsequenzen für Arbeitgeber:innen
Arbeitgeber:innen stehen nun vor der Herausforderung, die Gültigkeit von Online-AUs im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen zu prüfen. Dies erfordert eine Anpassung interner Prozesse und Richtlinien.
Wichtige Maßnahmen für Arbeitgeber:innen:
- Festlegung klarer Richtlinien: Arbeitgeber:innen sollten definieren, unter welchen Bedingungen Online-AUs akzeptiert werden.
- Prüfung der Rechtmäßigkeit: Es ist ratsam, jeden Arbeitsunfähigkeitsnachweis sorgfältig zu prüfen, um Missbrauch zu vermeiden.
- Kommunikation mit Mitarbeitenden: Transparente Information über die Anforderungen an eine gültige AU kann Missverständnisse vorbeugen.
Rechtliche und praktische Implikationen
Die Unterscheidung zwischen Online- und traditioneller AU hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Rechtsprechung und die Praxis. Während digitale AUs eine innovative Entwicklung darstellen, fehlt es derzeit an umfassenden gesetzlichen Regelungen, die ihre Gültigkeit eindeutig festlegen. Dies führt zu Unsicherheiten und potenziellen Konflikten.
Praktische Empfehlungen
Für Arbeitnehmer:innen:
- Herkömmliche AU bevorzugen: Wenn möglich, sollte weiterhin die persönliche Untersuchung genutzt werden.
- Rechtsberatung einholen: Bei Unsicherheiten ist eine rechtliche Beratung hilfreich.
- Nachweisführung stärken: Alle relevanten Unterlagen und Belege sollten sorgfältig aufbewahrt werden.
Für Arbeitgeber:innen:
- Regelmäßige Schulungen: Mitarbeitende im Personalbereich sollten über die neuesten rechtlichen Entwicklungen informiert werden.
- Zusammenarbeit mit Betriebsräten: Gemeinsame Strategien können dazu beitragen, klare und faire Regelungen zu schaffen.
- Klare Richtlinien etablieren: Interne Regelwerke sollten sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen Orientierung bieten.
Fazit
Das Urteil markiert einen Wendepunkt in der rechtlichen Bewertung digitaler Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Es unterstreicht die Bedeutung persönlicher ärztlicher Untersuchungen und schafft Klarheit über die Grenzen der digitalen Diagnostik. Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen sind gleichermaßen gefordert, sich an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.
Die zukünftige Entwicklung bleibt abzuwarten, doch schon jetzt zeigt sich, dass der Übergang in die digitale Arbeitswelt sorgfältiger Planung und klarer rechtlicher Regelungen bedarf.